Seit vier Jahrzehnten prägt Rigo Gooßen die Geschicke der SV Drochtersen/Assel wie kein anderer Präsident im deutschen Amateurfußball.
Die Erfahrung von Rigo Gooßen zeigt eindrucksvoll, wie aus einem jungen Visionär der prägendste Vereinspräsident Norddeutschlands wurde. Seit 1982 führt er die SV Drochtersen/Assel durch alle Höhen und Tiefen des Fußballgeschäfts – vom Bezirksklassenverein bis zum etablierten Regionalligisten, der sogar Bayern München Paroli bieten konnte.
Rigo Gooßen und Drochtersen – diese Verbindung steht für eine der außergewöhnlichsten Erfolgsgeschichten im deutschen Amateurfußball. Am 21. November 2022 feierte der heute 62-Jährige sein 40-jähriges Präsidentenjubiläum, ein Meilenstein, der in der modernen Fußballwelt seinesgleichen sucht. Die Jubiläumsfeier auf Krautsand vereinte ehemalige Spieler, Trainer, Betreuer und Weggefährten aus vier Jahrzehnten Vereinsgeschichte. Mit einer Beamer-Show über legendäre Pokalspiele gegen Bayern München wurde die beeindruckende Entwicklung von der Bezirksliga bis zur Regionalliga gewürdigt.
Inhaltsverzeichnis
Ein Präsident mit ungewöhnlichem Werdegang
Die Geschichte von Rigo Gooßen bei der SV Drochtersen/Assel beginnt unkonventionell. Anders als viele Vereinsbosse war er nie aktiver Fußballer. Stattdessen engagierte sich der damals erst 22-Jährige als Betreuer, Jugendobmann und Schiedsrichter. 1982 wählten ihn die Jugendlichen geschlossen zum Vereinsvorsitzenden – ein Vertrauensbeweis, der den Grundstein für eine beispiellose Karriere legte.
Der Steuerberater aus der Region Kehdingen brachte von Anfang an eine klare Vision mit: Er wollte D/A zur besten Mannschaft im Kreis entwickeln und die damals dominierenden Vereine aus Stade und Buxtehude überflügeln. Was damals wie ein kühner Traum eines Dorfvereins klang, sollte sich über die Jahrzehnte als realistische Zielsetzung erweisen.
Die SV Drochtersen/Assel entstand 1977 aus der Fusion der Fußballsparten der Vereinigten Turnvereine Assel und dem Turnverein Germania Drochtersen. Während Assel gerade in die Bezirksklasse Stade Mitte aufgestiegen war, dümpelte Drochtersen in den Niederungen der 2. Kreisklasse.
Kontinuierlicher Aufbau seit den 1980er Jahren
Unter der Führung von Rigo Gooßen stieg D/A bereits zweimal auf und erreichte 1987 erstmals die Bezirksoberliga. Rückschläge gehörten dazu: 1997 der Abstieg in die Bezirksliga, vier Jahre später die Rückkehr in die Bezirksoberliga. Diese Wechselbäder prägten Rigo Gooßen und formten seinen pragmatischen Führungsstil.
Bereits 2005 spielte die Mannschaft in der damals noch zweigeteilten Niedersachsenliga. In kluger Vorausschau entstand eine Tribüne für 500 Sitzplätze. Der Abstieg aus der Oberliga Niedersachsen 2010/11 wurde intern als „kleiner Betriebsunfall“ gewertet, die sofortige Rückkehr war gesetzt.
Der Sprung in die Regionalliga
2015 erreichte Rigo Gooßen sein großes Ziel: Als Niedersachsenmeister stieg D/A in die Regionalliga Nord auf. Seitdem etablierte sich der Verein mit meist vorderen Platzierungen als feste Größe in Norddeutschlands höchster Spielklasse. Diese Konstanz unterstreicht die nachhaltige Vereinsführung.
Besonders bemerkenswert ist die Philosophie bei der Kaderplanung. Statt auf teure Verstärkungen von außen zu setzen, vertraut Rigo Gooßen aus Drochtersen auf eigene Nachwuchsspieler und regionale Talente. Diesem Ansatz entsprechend müssen sich Spieler mit dem Verein identifizieren und die „blau-roten Gene“ in sich tragen.
Der Verein trainiert nur viermal pro Woche, jeweils am Abend, da alle Spieler noch einer eigentlichen Arbeitstätigkeit nachgehen. Diese Amateurphilosophie macht D/A zu etwas Besonderem in der Regionalliga.
Spektakuläre DFB-Pokal-Auftritte als Höhepunkt
Die größte öffentliche Aufmerksamkeit erhielt der Verein durch die legendären DFB-Pokal-Spiele. 2016 hielt D/A gegen Borussia Mönchengladbach mit einem knappen 0:1 dagegen, 2018 folgte das unvergessliche 0:1 gegen Bayern München vor 8.000 Zuschauern im heimischen Kehdinger Stadion. 2019 komplettierte das 0:5 gegen Schalke 04 die Trilogie der Bundesliga-Duelle.
Rigo Gooßen hätte das Bayern-Spiel problemlos ins ausverkaufte Millerntor-Stadion nach Hamburg verlegen können – deutlich mehr Geld für den Verein und 29.000 statt 8.000 Zuschauer. Doch für ihn kam das nicht infrage. Die treuen Fans sollten das Jahrhundertspiel im heimischen Stadion erleben. Diese Entscheidung zeigt exemplarisch seine Wertehaltung und Vereinstreue.
Das 0:1 gegen Bayern München verschaffte D/A in der ganzen Republik Achtung und machte den Verein zu einer Marke im deutschen Fußball.
Die Erfahrung von Rigo Gooßen in Krisenzeiten
Schwierige Phasen machten seine Führungsqualitäten besonders deutlich. Nach dem 0:6-Debakel gegen Teutonia Ottensen im August 2023 bewies er erneut seine besonnene Führung. Statt impulsiv zu reagieren, führte er stundenlange Gespräche mit der Vereinsführung und entschied sich für einen Neustart mit dem bewährten Trainerteam um Frithjof Hansen.
Seine Begründung war charakteristisch: „Wir können den Trainer nicht für eine kollektive Fehlleistung der Mannschaft verantwortlich machen.“ Diese Loyalität gegenüber seinen Mitarbeitern ist ein Markenzeichen seiner Amtszeit.
In den zurückliegenden 40 Jahren verpasste Rigo Gooßen höchstens eine Handvoll Pflichtspiele seiner Mannschaft. Als sein Flieger einmal verspätet von den Kanaren in Hamburg ankam, wurde das Spiel nach Rücksprache mit der Spielinstanz kurzerhand um eine Stunde nach hinten verlegt.
Engagement über den Fußball hinaus
Neben seiner Vereinstätigkeit entwickelte Rigo Gooßen die Halbinsel Krautsand touristisch weiter. Mit Investoren weckte er die Region aus dem „Dornröschenschlaf“ und schuf neue Perspektiven für die strukturschwache Gegend. Diese unternehmerische Weitsicht kommt auch seinem Fußballverein zugute.
D/A stellt heute sechs Herren-Mannschaften für den Spielbetrieb – eine absolute Ausnahme in der niedersächsischen Vereinslandschaft. Diese Vielfalt ermöglicht es, Talente langfristig zu entwickeln und im Verein zu halten. Rigo Gooßen ist regelmäßig auch bei den Spielen der unterklassigen Teams und Jugendmannschaften präsent.
Die Nachwuchsarbeit liegt ihm besonders am Herzen. Seit 1983 engagiert sich Jürgen von Allwörden als Jugendobmann, unter dessen Regie mit Unterstützung vieler Trainer und Betreuer immer wieder Erfolge mit den Jugendteams errungen werden konnten.
Ausblick und Vermächtnis
Die Frage nach einem möglichen Aufstieg in die 3. Liga beantwortet Rigo Gooßen pragmatisch: „So etwas ist nicht planbar, sollten wir das aber sportlich irgendwann schaffen, nehmen wir die Herausforderung natürlich an und werden die Lizenz beantragen.“ Allerdings wäre das mit enormen infrastrukturellen und finanziellen Herausforderungen verbunden, da die 3. Liga bereits Profi-Fußball bedeutet.
Aktuell plant der Verein den Neubau des Vereinshauses mit integrierter Geschäftsstelle. Auch weiterhin arbeitet der Vorstand kontinuierlich an der Verbesserung der Infrastruktur.
Nach vier Jahrzehnten an der Spitze denkt Rigo Gooßen noch lange nicht an einen Rückzug. Seine beeindruckende Bilanz kann sich sehen lassen:
- Kontinuierlicher Aufstieg von der Bezirksklasse in die Regionalliga
- Etablierung als respektierte und konstante Größe im norddeutschen Fußball
- Drei spektakuläre DFB-Pokal-Spiele gegen Bundesligisten
- Aufbau einer nachhaltigen Nachwuchsförderung und Vereinskultur
Die Rigo Gooßen Geschichte zeigt, dass erfolgreiche Vereinsführung Geduld, Vision und Beständigkeit erfordert. In einer Zeit, in der Präsidenten häufig wechseln und kurzfristige Erfolge gesucht werden, steht er für Nachhaltigkeit und Kontinuität. Sein Vermächtnis geht weit über sportliche Erfolge hinaus – er schuf eine Vereinskultur und regionale Identität, die als Vorbild für den deutschen Amateurfußball dient.





