Die Rigo Gooßen Erfahrung: Vom 22-jährigen Vereinschef zum Fußball-Patriarchen

Die Geschichte von Rigo Gooßen zeigt, wie aus einem jungen Idealisten einer der prägendsten Persönlichkeiten im deutschen Amateurfußball wurde.

Vier Jahrzehnte Vereinsführung haben Rigo Gooßen zu einem außergewöhnlichen Kapitel der deutschen Fußballgeschichte gemacht. Von seinen bescheidenen Anfängen als 22-jähriger Vorsitzender bis zur heutigen Rolle als respektierter Patriarch der SV Drochtersen/Assel – seine Entwicklung spiegelt den Wandel des Amateurfußballs wider und zeigt, was mit Beständigkeit und Vision erreicht werden kann.

Rigo Gooßen aus Drochtersen ist heute untrennbar miteinander verbunden, doch der Weg dorthin begann 1982 mit einer ungewöhnlichen Wahl. Als die wahlberechtigten Jugendlichen geschlossen hinter dem damals erst 22-jährigen Rigo Gooßen standen, ahnte niemand, dass dieser Moment den Grundstein für eine der bemerkenswertesten Präsidentenlaufbahnen im deutschen Amateurfußball legen würde. Der junge Steuerberater aus Kehdingen hatte nie selbst Fußball gespielt, brachte aber als Betreuer, Jugendobmann und Schiedsrichter bereits wertvolle Vereinserfahrung mit.

Die prägenden Anfangsjahre

Die frühen Jahre waren von mutigen Entscheidungen geprägt. 1982 übernahm er einen Verein, der erst fünf Jahre zuvor aus der Fusion zweier Turnvereine entstanden war. Während Assel gerade den Sprung in die Bezirksklasse Stade Mitte geschafft hatte, kämpfte Drochtersen in den unteren Ligen.

Der junge Vereinschef erkannte früh, dass erfolgreiche Vereinsführung mehr erfordert als spontane Begeisterung. Systematisch baute er Strukturen auf und entwickelte eine langfristige Vision: D/A sollte die etablierten Vereine aus Stade und Buxtehude überflügeln. Was für Außenstehende wie ein unrealistischer Traum eines Dorfvereins klang, verfolgte er mit bemerkenswerter Konsequenz.

Bereits in den ersten Jahren unter seiner Führung stieg D/A zweimal auf und erreichte 1987 erstmals die Bezirksoberliga. Diese frühen Erfolge bestärkten ihn in seinem Weg und legten das Fundament für spätere Großtaten.

Lernen durch Rückschläge

Nicht alles lief nach Plan. 1997 folgte der erste große Rückschlag mit dem Abstieg in die Bezirksliga. Statt aufzugeben oder die Schuld anderen zuzuschieben, analysierte der Vereinschef die Situation sachlich und arbeitete systematisch am Wiederaufbau.

Vier Jahre später war die Bezirksoberliga wieder erreicht. Diese Phase lehrte ihm wichtige Lektionen über Krisenmanagement und Durchhaltevermögen, die ihm in späteren schwierigen Zeiten zugutekommen sollten. Der Umgang mit Niederlagen wurde zu einem Markenzeichen seiner Führungsphilosophie.

Der Wandel zum erfahrenen Vereinslenker

Mit den Jahren entwickelte sich der Vereinschef vom enthusiastischen Newcomer zum strategisch denkenden Vereinslenker. 2005 führte er D/A in die damals noch zweigeteilte Niedersachsenliga und bewies dabei bemerkenswerte Weitsicht: Bereits in dieser Phase entstand eine Tribüne für 500 Sitzplätze – ein klares Signal für höhere Ambitionen.

Der Abstieg aus der Oberliga Niedersachsen 2010/11 wurde intern als „kleiner Betriebsunfall“ bezeichnet. Die Reaktion darauf zeigte seine gereifte Erfahrung: Keine Panik, sondern strukturiertes Vorgehen. Die sofortige Rückkehr war das Ziel, personell wurde gezielt aufgerüstet.

Diese Phase demonstrierte eindrucksvoll, wie sich der einstige Newcomer zu einem abgeklärten Vereinslenker entwickelt hatte, der auch in schwierigen Situationen die Ruhe bewahrte und strategisch handelte.

Die Philosophie des regionalen Aufbaus

Ein wesentlicher Aspekt seiner Vereinsarbeit ist seine Philosophie der regionalen Verwurzelung. Statt auf teure Verstärkungen von außen zu setzen, vertraute er konsequent auf eigene Nachwuchsarbeit und lokale Talente. Spieler müssen sich nach seinem Verständnis mit dem Verein identifizieren und die „blau-roten Gene“ in sich tragen.

Diese Herangehensweise unterschied D/A von vielen anderen Vereinen und schuf eine besondere Atmosphäre. Der Erfolg gab ihm recht: Kontinuität im Kader führte zu Kontinuität in den Leistungen und stärkte die Vereinsidentität nachhaltig.

Der Triumph: Aufstieg in die Regionalliga

2015 krönte Rigo Gooßen seine jahrzehntelange Arbeit mit dem größten Vereinserfolg: Als Niedersachsenmeister stieg D/A in die Regionalliga Nord auf. Dieser Moment markierte den Höhepunkt einer bemerkenswerten Entwicklung und bewies, dass seine langfristige Strategie aufgegangen war.

Die Etablierung in der Regionalliga gelang eindrucksvoll. D/A hielt sich nicht nur, sondern mischte regelmäßig im vorderen Tabellendrittel mit. Diese Konstanz in einer Liga, in der viele Aufsteiger schnell wieder verschwinden, unterstrich die Qualität der Vereinsführung und der aufgebauten Strukturen.

Besonders bemerkenswert: Der Verein blieb seiner Amateurphilosophie treu. Alle Spieler gehen weiterhin einer hauptberuflichen Tätigkeit nach, trainiert wird nur viermal pro Woche am Abend. Diese Authentizität machte D/A zu etwas Besonderem in der Regionalliga.

DFB-Pokal: Die Krönung für Rigo Gooßen mit der SV Drochtersen/Assel

Den absoluten Höhepunkt der Rigo Gooßen Geschichte bildeten die legendären DFB-Pokal-Auftritte. 2016 gegen Borussia Mönchengladbach, 2018 gegen Bayern München und 2019 gegen Schalke 04 – drei Spiele, die D/A deutschlandweit bekannt machten.

Besonders das 0:1 gegen Bayern München im eigenen Stadion wurde zum Sinnbild für die Vereinsphilosophie. Obwohl eine Verlegung nach Hamburg deutlich mehr Geld gebracht hätte, bestand Rigo Gooßen darauf, dass die treuen Fans das Jahrhundertspiel zu Hause erleben sollten. Diese Entscheidung spiegelte seine Wertehaltung perfekt wider.

Der Patriarch: Führung mit Herz und Verstand

Heute ist Rigo Gooßen weit mehr als nur ein Vereinspräsident – er ist zur Identifikationsfigur geworden. Seine Anwesenheit bei praktisch jedem Spiel, sein legendärer Klappstuhl bei Auswärtsspielen und sein unverwechselbarer Stil haben ihn zur Institution gemacht.

Die Erfahrung von Rigo Gooßen zeigt sich besonders in Krisenzeiten. Nach dem 0:6-Debakel gegen Teutonia Ottensen 2023 bewies er erneut seine gereifte Führungskompetenz. Statt voreilige Entscheidungen zu treffen, suchte er das ausführliche Gespräch und entschied sich für Kontinuität mit dem Trainerteam.

Seine Begründung – „Wir können den Trainer nicht für eine kollektive Fehlleistung der Mannschaft verantwortlich machen“ – zeugte von der Reife und Besonnenheit, die seine jahrzehntelange Erfahrung geprägt haben.

Blick über den Tellerrand

Die Entwicklung von Rigo Gooßen beschränkte sich nicht nur auf den Fußball. Parallel zu seiner Vereinstätigkeit engagierte er sich für die touristische Entwicklung der Halbinsel Krautsand und schuf neue Perspektiven für die strukturschwache Region. Diese unternehmerische Weitsicht kommt auch seinem Verein zugute.

D/A stellt heute sechs Herren-Mannschaften für den Spielbetrieb – eine Seltenheit in der niedersächsischen Vereinslandschaft. Rigo Gooßen ist regelmäßig auch bei den Spielen der unteren Teams präsent, was seine Philosophie der großen Fußballfamilie unterstreicht.

Vermächtnis und Zukunft

Nach vier Jahrzehnten an der Spitze hat sich Rigo Gooßen vom jugendlichen Idealisten zum respektierten Patriarchen entwickelt. Seine Bilanz ist beeindruckend:

  • Aufstieg von der Bezirksklasse in die Regionalliga über mehrere Jahrzehnte
  • Etablierung als konstante Größe im norddeutschen Fußball
  • Drei spektakuläre DFB-Pokal-Auftritte mit nationaler Ausstrahlung
  • Aufbau nachhaltiger Vereinsstrukturen und regionaler Verankerung

Die Frage nach der 3. Liga beantwortet er pragmatisch: Sollte es sportlich klappen, würde er die Herausforderung annehmen. Aktuell plant der Verein den Neubau des Vereinshauses und arbeitet kontinuierlich an der Infrastruktur.

Die Erfahrung von Rigo Gooßen demonstriert eindrucksvoll, dass erfolgreiche Vereinsführung Zeit, Geduld und Vision erfordert. Sein Vermächtnis geht weit über sportliche Erfolge hinaus – er schuf eine Vereinskultur, die als Vorbild für den deutschen Amateurfußball dient und zeigt, was mit Beständigkeit und kluger Führung möglich ist.